Weniger ist mehr: Was Sie über Minimalismus wissen müssen

Rund 10.000 Dinge besitzt jeder und jede Deutsche im Schnitt. Und wer kennt das nicht: ein voller Keller, Chaos auf dem Schreibtisch oder ein überfüllter Kleiderschrank mit längst ausgedienten Klamotten? Sich von Besitz zu trennen wirkt befreiend – und trotzdem fällt gerade dieses Loslassen vielen schwer. Oft sind Gegenstände zur Gewohnheit geworden. Sie sind emotional mit Ereignissen verknüpft oder werden schlicht für den Fall gehortet, dass man sie doch irgendwann einmal gebrauchen können. Das ist aber fast nie der Fall. Den Minimalismus dauerhaft ins Leben zu integrieren, ist daher ein lohnenswertes Ziel. Wir verraten Ihnen, wie es gelingt.

Minimalismus als Lebensstil

Minimalistisch zu leben bedeutet nicht, sich radikal von allem zu trennen und künftig nicht mehr zu konsumieren. Vielmehr bedeutet es eine bewusste Gegenbewegung zu Materialismus und Konsumwahn. Nachhaltiger konsumieren und ausgewählt einkaufen, was man wirklich braucht, kann materielle Belastungen reduzieren. Darunter leiden viele Menschen – bewusst oder unbewusst.

Weniger zu besitzen setzt Energien frei oder: Wer weniger hat, muss sich um weniger kümmern und schafft so mehr Platz, Zeit und Geld. Minimalismus als Lebensstil kann dabei auch bedeuten, sich bewusst für den Kauf von hochwertigen Lieblingsstücken zu entscheiden. Hängt nur eine Capsule Wardrobe mit wenigen Lieblingsteilen im Schrank, muss man bei der Kleiderauswahl nicht lange überlegen und ist dennoch passend angezogen. Wer lediglich zwei Töpfe hat, weiß, in welchem er seine Suppe kocht. Mit der Zeit entsteht eine ganz neue Freiheit der Reduktion, die man bereits in der Kindheit kannte und längst vergessen hat: Was man nicht besitzt, um das braucht man sich auch nicht zu kümmern. Was man nicht hat, kann weder kaputtgehen noch muss es gepflegt werden.

Eine Frau sitzt auf ihrer Fensterbank und schaut hinaus, dabei hält sie eine Tasse in den Händen.
Minimalismus ermöglicht mehr Zeit für sich selbst.

Minimalismus ist ein Prozess

Wenn Sie den Minimalismus in Ihr Leben integrieren möchten, beginnen Sie am besten mit einem offenen Blick auf Ihr Hab und Gut. Hier gilt in erster Linie, Überflüssiges zu erkennen. Ein minimalistisches Leben soll schließlich nicht stressen, sondern glücklicher und freier machen. Wie bei jeder Umstellung von Gewohntem zeigt sich auch hier: Minimalismus ist ein Prozess, der sich nach und nach in das eigene Leben integrieren lässt. Im Unterschied zu wenig Besitz aus einem Mangel heraus ist die bewusste Entscheidung für Minimalismus ein Privileg. Vor jedem Kauf lohnt es sich, einen Moment lang innezuhalten und sich selbst bewusst ein paar Fragen zu stellen: Besitze ich schon etwas Ähnliches? Was könnte eine Alternative sein? Werde ich in ein paar Monaten noch immer Freude daran haben? Dieses Vorgehen führt nach und nach zu sinnvollen Kaufentscheidungen.

Reisen mit leichtem Gepäck – gilt auch für zu Hause

Dieses freie Gefühl, wenig zu besitzen, muss man erst einmal erlebt haben. Am einfachsten geht das auf Reisen. Haben Sie schon einmal für einen vierwöchigen Urlaub gepackt? Diese gegebene Beschränktheit auf Rucksack, Reisetasche und Koffer setzt bewusste Entscheidungen für Gegenstände voraus. Auch zu Hause lässt sich dieses Prinzip anwenden. Ein Trick des Minimalismus besteht zum Beispiel darin, Dinge mehrfach zu verwenden. Damit werden bereits vorhandene Besitztümer gleich doppelt nützlich und andere überflüssig. So kann ein Trinkglas gleichzeitig eine Blumenvase sein oder eine kleine Gießkanne. Ein anderes Beispiel steht in der Garage. Wussten Sie, dass Privatautos rund 90 Prozent ungenutzt herumstehen? Hier können Carsharing-Angebote eine umweltfreundliche Alternative sein.

Insgesamt ist das Teilen und gemeinsame Nutzen von Gebrauchsgegenständen eine sinnvolle Möglichkeit. Damit lässt sich Gemeinschaft gestalten, Ressourcen lassen sich schonen und unnötiger Besitz wird vermieden. Dass sich das wiederum positiv auf die Umwelt auswirkt, zeigt ein Blick auf die Zahlen des Umweltbundesamtes: Mit Bauen und Wohnen sowie Mobilität wurden hier zwei Hauptbedarfsfelder identifiziert, die für bis zu 60 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind.

Minimalismus leben – konkrete Tipps und Methoden

Es braucht nur wenige Schritte, um das Thema Minimalismus nachhaltig in das eigene Leben zu integrieren. Einmal angefangen, zeigt sich recht schnell, was man im Alltag braucht, und auch, wovon man sich trennen kann. Im Folgenden zeigen wir einfache Ansätze, Minimalismus zu praktizieren.

„Eat the frog first“ – lass los, was du liebst

„Eat the frog first“ bedeutet so viel wie: Nimm das Schlimmste zuerst in Angriff und lerne daraus, leichter loszulassen. Und so einfach geht’s: Suchen Sie sich eines Ihrer liebsten Teile aus, worauf Sie ab morgen bewusst verzichten möchten. Werfen Sie es jedoch nicht in den Müll, sondern verschenken, verkaufen oder spenden Sie es. Was einen diese Methoden lehren will, ist, dass man selbst geliebte Besitztümer loslassen und dennoch glücklich sein kann. Wer diese – zugegebenermaßen radikale – Minimalismus-Methode regelmäßig praktiziert, wird sich in Zukunft immer einfacher von Dingen trennen können.

„KonMari-Methode“ – es bleibt, was glücklich macht

Bei der „KonMari-Methode“ geht es um Achtsamkeit und Freude am eigenen Besitz. Einst entwickelt von Marie Kondo, geht es bei dieser Minimalismus-Methode darum, ausschließlich das zu behalten, was einem Freude bringt. Und so funktioniert es: Nehmen Sie jeden einzelnen Ihrer Gegenstände in die Hand und fragen Sie sich: „Macht mich dieser Gegenstand glücklich?“ Falls ja, wandert er zurück in den Schrank. Falls nein, wandert er in den Verschenkekarton. Das Gute: Sie nehmen wirklich jeden einzelnen Gegenstand in Ihrem Haushalt einmal in die Hand nehmen und entscheiden sich bewusst für oder gegen ihn. Kleiner Tipp: Fangen Sie bei den einfachen Gegenständen an, wie beispielsweise Putzsachen oder Küchenutensilien. Schließen Sie erst eine Kategorie ab, bevor Sie eine neue beginnen.

Mutter und Tochter sitzen auf dem Boden und sortieren Spielzeug aus.
Beim Ausmisten von Spielsachen sollten Sie Ihre Kinder miteinbeziehen – hier finden Sie Tipps für Minimalismus in der Familie.

„Korbmethode“ – einladen, um abzugeben

Der Name verrät es schon – ähnlich wie beim Einkaufen verwenden Sie bei der „Korbmethode“ einen Korb, in den Sie Dinge hineinlegen. Nur mit dem Unterschied, dass Sie hier in den Korb laden, was Sie abgeben möchten. Dabei wandern Sie mit einem Wäschekorb durch Ihre Wohnung. Sie stöbern durch Ihre Sachen und packen alles ein, was Sie nicht mehr haben möchten. Ist der Korb voll, haben Sie Ihr Tagespensum an Entrümpelung erreicht. Praktizieren Sie die Korbmethode täglich, werden Sie schon nach einer Woche um einiges an Besitz leichter sein. Wichtig: Gehen Sie systematisch vor und nehmen Sie sich einen Raum nach dem anderen vor. 

„Karton-Methode“ – für Fortgeschrittene

Die „Karton-Methode“ ist eine Minimalismus-Methode für Fortgeschrittene. Dabei stellen Sie sich einige Umzugskartons bereit und räumen im ersten Schritt alles ein, was Sie Ihr Eigen nennen. Im besten Fall haben Sie Ihren Besitz bereits vorsortiert, sodass Sie die Gegenstände schnell wieder finden. Nun leben Sie für einige Zeit aus den Kartons. Dadurch zeigt sich, was Sie wirklich brauchen und auch, was nicht. Bei der „Karton-Methode“ geht es darum, alles wieder zurück in den Hausstand zu stellen, was Sie benötigen. Was in den nächsten Wochen nicht angerührt wird, kommt weg. Schon gewusst? Man vergisst einen Gegenstand meistens, wenn man ihn nicht direkt vor Augen hat. Ein Zeichen dafür, dass man ihn nicht braucht.

Ein Pärchen führt den Minimalismus ein und beschriftet Kartons mit aussotierten Dingen.
Es lohnt sich, die Kartons zu beschriften, wenn Sie viel verbannen – so finden Sie Dinge, die Sie doch benötigen, schnell wieder.

Ein zweites Leben für Gegenstände: nachhaltig aussortieren

Wer regelmäßig aussortiert, steht immer wieder vor der Frage: Wohin mit den ausgedienten Schätzen? Bitte nicht einfach wegwerfen! Sicherlich hat der eine oder andere Gegenstand ein zweites Leben verdient. Einem neuen Besitzer oder einer neuen Besitzerin wird er noch nützliche Dienste erweisen. Ab auf den Flohmarkt, zur Verschenkebörse oder in die Onlinegruppe. Mittlerweile gibt es in vielen Städten reale wie digitale Möglichkeiten, Ausgedientes weiterzugeben. Oft können Sie Ihre Sachen auch an soziale Einrichtungen spenden und damit gleichzeitig etwas Gutes tun.

Tipp: Die Internetseite „Wohin damit?“ unterstützt Sie darin, für ausrangierte Gegenstände den richtigen Ort zu finden.

Ein Mann stöbert auf einem Flohmarkt in Kisten mit Gegenständen, die durch Minimalismus aussortiert wurden.
Aussortiertes findet auf Flohmärkten oder in Second Hand Kaufhäusern neue Besitzer.

Nach dem Ausmisten – so bleiben Sie minimalistisch

Das Schwerste ist geschafft: Sie sind alles Überflüssige losgeworden. Doch nun wartet die eigentliche Herausforderung: Wie können Sie den Minimalismus nachhaltig in Ihren Alltag integrieren? Wir haben einige Tipps zusammengestellt:

  • Machen Sie Ihren Besitz möglichst sichtbar – von der Kleidung über Lebensmittel bis hin zu Büchern. Verstauen Sie nicht alles in Schubladen, Schränken oder den hintersten Ecken. Nur wer alle Dinge im Blick hat, weiß, was er besitzt, und kauft nicht unnötig Neues ein.
  • Bevor Sie etwas Neues kaufen, fragen Sie sich: „Kann ich es leihen, tauschen oder reparieren?“ Ein Loch im Pullover zu reparieren, kostet lediglich ein paar Minuten Zeit. Eine benötigte Bohrmaschine hat sicherlich auch jemand aus der Nachbarschaft im Keller stehen. Im Gegenzug können Sie vielleicht einmal Ihren Rasenmäher verleihen.
  • Um minimalistisch zu bleiben, reicht oft der Grundsatz „Ein Neues kommt, ein Altes geht“. Für jedes neue Teil, das Sie kaufen, geben Sie ein altes weg. So bleibt Ihr Besitz immer gleich groß.

Glücklich werden – Minimalismus beginnt im Kopf

Verzicht, Konsumreduktion und Loslassen von Ballast sind ein guter Anfang, um minimalistisch zu leben, aber Minimalismus beginnt zuallererst im Kopf. Das Entscheidende bei einer minimalistischen Lebenseinstellung ist, sich zu fragen: Was macht mich wirklich glücklich? Die Wahrnehmung ist subjektiv, oft konzentriert man sich auf die Dinge, die einem fehlen und die noch nicht „rund“ sind. Allzu oft erliegt man der Versuchung, die vermeintlich negativen Umstände zu sehen, die einen unzufrieden machen. Man erkennt nicht, was man braucht, um es dann bewusst ins Leben zu integrieren.

„Wie glücklich bin ich mit meinen Lebensumständen?“, „Macht mir mein Beruf noch Spaß?“, „Wollte ich nicht schon immer noch einmal studieren?“ oder „War es nicht einmal ein großer Traum von mir, die Welt zu bereisen?“ sind Überlegungen, die die meisten verdrängen. Sie können jedoch schnell möglich werden, wenn man durch Achtsamkeit, Reduktion und bewussten Verzicht die Ausgaben senkt. Denn so entstehen wieder mehr Freiräume für Leben und Erlebnisse. Und die gute Nachricht: Der Schlüssel zu dieser Freiheit liegt nicht bei anderen, sondern ganz bei einem selbst.

 

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