Revolution auf dem Acker – mit dem Kartoffelkombinat

Jedes Mal wenn ich im Supermarkt vor dem Gemüseregal stand, war ich frustriert: Ich wollte saisonales Obst und Gemüse aus meiner Region. Stattdessen: Kartoffeln aus Ägypten, Karotten aus Spanien, Tomaten aus Holland. Das ist auch im Bio-Markt leider häufig Realität. Den zwei Münchner Familienvätern Simon Scholl und Daniel Überall ging es ähnlich und sie beschlossen etwas zu ändern. Heute leben sie ihren Traum: Aus eigener Überzeugung haben die beiden Quereinsteiger 2012 das Kartoffelkombinat gegründet – eine solidarische Landwirtschaft, die in der Metropolregion München inzwischen über 1.000 Haushalte direkt mit frischen, regionalen Lebensmitteln versorgt.

Genossenschaft Kartoffelkombinat: „Gemeinsam seine Ziele besser erreichen als im Alleingang“

Wesentlich für die Idee der solidarischen Landwirtschaft – oder englisch „Community-Supported Agriculture“, kurz CSA – ist eine Solidar- oder Wirtschaftsgemeinschaft, die einen landwirtschaftlichen Betrieb unterstützt oder selbst betreibt. Im Fall unseres Kartoffelkombinats handelt es sich um eine Genossenschaft, die nach folgendem Grundgedanken aufgebaut ist: „Gemeinsam seine Ziele besser erreichen als im Alleingang“. Gemeinsam mit den anderen Genossen garantiere ich durch meine Mitgliedschaft die Abnahme der erzeugten Lebensmittel und übernehme die entstehenden Kosten für Saatgut, Löhne, Logistik und so weiter im Voraus. Dadurch wird es der genossenschaftlichen Gärtnerei ermöglicht, sich unabhängig von Marktzwängen einer guten landwirtschaftlichen Praxis zu widmen, den Boden fruchtbar zu erhalten und bedürfnisorientiert zu wirtschaften.

Wir Mitglieder teilen uns aber nicht nur die Kosten, sondern auch die damit verbundene Verantwortung, das Risiko und natürlich die Ernte. Gemüse, Obst, Brot und auch mal Eingekochtes oder Getreide, das ich als Genossin wöchentlich in meiner Kiste finde, stammt vorwiegend aus dem eigenen Anbau der genossenschaftlichen Gärtnerei bei München. Oder von festen Partnerbetrieben ganz in der Nähe. Abholen können wir Mitglieder unseren Ernteanteil an verschiedenen Abholpunkten überall in der Münchner City.

„München ist ein Dorf!“: Mehr als Obst und Gemüse aus der Region

Getreu dem Motto „München ist ein Dorf!“ bietet mir das Kartoffelkombinat deutlich mehr als nur Gemüse. Zusätzlich gibt es Aktionen, an denen ich mich als Mitglied der solidarischen Landwirtschaft beteiligen kann wie Mitgärtnern, Kistenpacken, spannende Vorträge und Workshops oder Hoffeste. Das Kombinat ist ein Experiment für ein alternatives (Land-)Wirtschaftssystem. Den Gründern geht es darum zu beweisen, dass es zum aktuell existierenden Konsumwirtschaftskonstrukt funktionierende Alternativen gibt: „Wir wollen ein Stück weit unsere Unabhängigkeit zurückgewinnen und Ernährungssouveränität erlangen. Man ist so fremdbestimmt!“, schildert Simon Scholl seine Motivation. Daniel Überall und er sind sich sicher, dass man als Gemeinschaft auch andere Wege, als die bereits ausgetretenen, gehen kann und haben das mit dem Kartoffelkombinat bisher eindrucksvoll und erfolgreich bewiesen. „Wir wussten, dass diese Idee Erfolg haben wird. Sich die Kosten und dann die Ernte zu teilen, ist ein denkbar einfaches Geschäftskonzept. Gepaart mit dem Gedanken der Genossenschaft bleiben nur wenige Gründe, sich nicht dieser Idee anzuschließen“, erläutert Simon.

Mitmachen erlaubt: Bei einem Straßenfestival im München werben Mitglieder für das Kartoffelkombinat.

Die Erfolgsgeschichte geht weiter: Eine eigene Gärtnerei für die Genossenschaft

Nach einigen Umwegen ist das Kartoffelkombinat seit 2017 stolzer Besitzer einer eigenen Gärtnerei in Oberschweinbach – ganz in der Nähe von München. Als die zwei Gründer 2012 das Kartoffelkombinat ins Leben riefen, waren zunächst nur ein paar Freunde bei der Idee dabei. Inzwischen bekommen rund 1.000 Münchner buntes Gemüse aus der grünen Kartoffelkombinatskiste. Und es werden immer mehr: Bis 2020 sollen von Oberschweinbach aus etwa 1.500 Ernteanteile die Münchner Haushalte erreichen. Für Unentschlossene gibt es ein Schnupper-Abo.

Der Bewässerungswagen kann dank einer kreativen Lösung mehrere Reihen Pflanzen gießen.
Immer gute Ideen: Gärtner Benny vom Kartoffelkombinat mit einer selbst gebauten „Riesen-Gießkanne“.

Ein gutes Gefühl: Wissen, wo das Essen herkommt

Als Mitglied im Kartoffelkombinat weiß ich heute genau, wo meine Karotten wachsen. Und habe meine eigenen Hände schon mal in der Erde gehabt, aus der mein Gemüse kommt. Ich kenne die Anbauplanung, kann mich beim Kistenpacken oder bei gemeinschaftlichen Ernte-Aktionen beteiligen – wenn ich mag. Wenn nicht, kann ich auch nur das frische und leckere Gemüse jede Woche an meinem Abholort in Empfang nehmen und dabei das Gefühl haben, etwas richtig Gutes zu unterstützen. Ich weiß, dass Erdbeeren bei uns nicht schon im April reif sind. Deshalb freue ich mich aber auch besonders auf sie genauso wie auf die ersten aromatischen Tomaten aus „meiner Gärtnerei“. Diese werde ich zwar erst ab Ende Juli in meiner grünen Kiste finden, dafür schmecken sie dann umso leckerer.

Kind plückt Äpfel an einem tief herabhängenden Ast.
Sehen wo’s wächst: Auch die Kleinsten dürfen mitmachen und so erleben, wo Lebensmittel herkommen.

 

Zusammenfassung
Welche Alternativen zur Supermarkt-Ernährung gibt es eigentlich? Wo bekommt man heute noch frisches, saisonales Gemüse, das ökologisch angebaut wurde? Meine persönliche Lösung: Solidarische Landwirtschaft! Landwirte und Verbraucher bilden dabei eine Versorgungsgemeinschaft. Mitglieder, die sich etwa in einer Genossenschaft zusammenschließen, finanzieren den Anbau und teilen sich die Ernte auf. Klingt ganz einfach. Ist es auch.

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