Pflanzenporträt: Schöllkraut – heilsam oder giftig?

Die stickstoffliebende Pflanze gilt als Kulturfolger, denn sie wächst vorzugsweise in der Nähe von menschlichen Wohnstätten. Selbst Mauerritzen werden von Schöllkraut besiedelt. Es ist leicht zu erkennen am gelb-orangenen Milchsaft, der beim Abpflücken aus Blättern und Stängeln hervorquillt. Früher war es eine beliebte Heilpflanze, aber heute steht das gelbblühende Kraut im Verdacht giftig zu sein.

Ein bisschen Botanik

Das Schöllkraut (Chelodonium majus) gehört zur Familie der Mohngewächse. Es handelt sich um eine recht häufig vorkommende Pflanze, die im Frühjahr an halbschattigen Plätzen zahlreiche Blattrosetten mit grün-grauen Blättern ausbildet. Von Mai bis Oktober öffnet das Schöllkraut seine leuchtend gelben Blüten und bildet dann die schotenähnlichen Samenkapseln aus. Die eiförmigen schwarzen Samen werden durch Ameisen verbreitet, denn sie haben ein weißliches fetthaltiges Anhängsel, welches von den Ameisen geliebt wird. Wegen diesem leckeren Lunch-Paket schleppen sie den Samen bis zu ihrem Bau. So geraten die Samen auch in Spalten senkrechter Mauerspalten, wo sie keimen können. Das typische Erkennungsmerkmal des Schöllkrautes ist der gelbliche Milchsaft, der sofort hervorquillt, wenn man ein Stück der Pflanze abreißt. Der stark färbende Saft ist leicht giftig und hat einen scharf-bitteren Geschmack.

Bricht man einen Stängel ab, tritt sofort der gelbe Pflanzensaft hervor.

Wie das Schöllkraut zu seinem Namen kam

Das Schöllkraut hieß im frühen Mittelalter noch scheliwurz, was sich aus dem lateinischen chelidonium entwickelte. Aus scheliwurz wurde Schellkrut und schließlich Schöllkraut. Der botanische Name wird von der Schwalbe (gr. Chelidon) abgeleitet, worüber schon in der Antike spekuliert wurde: Einige Autoren glaubten das Kraut hieße so, weil es zu Blühen beginnt, wenn die Schwalben zurückkommen. Andere wollten beobachtet haben, dass Schwalbeneltern mit dem gelben Saft ihre erblindeten Jungen heilen würden. Kein Wunder, dass der Saft auch bei Menschen die „Verdunkelung der Augen“ beseitigen sollte. Deshalb hieß das Schöllkraut in manchen Gegenden auch Augenkraut oder Augenklar. Diese Anwendung sollte man jedoch keinesfalls auf die heutige Zeit übertragen. Die anderen Volksnamen Warzenkraut oder Geschwulstkraut kommen daher, weil der Saft auch bei Warzen und Hauterkrankungen eingesetzt wurde. Letztere Anwendung hat sich bis heute in der Volksmedizin gehalten.

Schöllkraut als Heilmittel für die Leber?

In der Klosterheilkunde wurde das Schöllkraut wie schon von dem römischen Arzt Dioskurides als Augenheilmittel eingesetzt. In einem Lehrgedicht der Medizinschule von Salerno hieß es: „Schöllkraut ist den Augen gesund, das wird uns von den Schwalben kund.“

Ab dem 16. Jahrhundert wurde das Schöllkraut dann hauptsächlich als Lebermittel bei Gelbsucht und als Warzenmittel bei Feigwarzen (Genitalwarzen) gepriesen. Diese beiden Anwendungen waren jahrhundertelang Bestandteil der Volksmedizin. In der Neuzeit war Schöllkraut ein anerkanntes Therapeutikum bei krampfhaften Beschwerden der Gallenwege, denn die Pflanze wirkt nachweislich krampflösend und galleflussfördernd. Verschiedene Studien belegen außerdem entzündungshemmende, antibakterielle und antivirale Eigenschaften.

Erst in den letzten Jahren gab es Hinweise, dass hochdosierte Schöllkraut-Extrakte eventuell lebertoxische Nebenwirkungen verursachen könnten. Es gab mehrere Fälle von Hepatitis nach Verabreichung von Schöllkrautextrakten, wobei jedoch ein Zusammenhang nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Seither (2008) sind Schöllkraut-Präparate nur mit einer Tagesdosis von 2,5 mg Gesamtalkaloiden zugelassen. Von Schöllkrauttee wird seither generell abgeraten.

Auch wenn man besser die Finger vom Schöllkraut lässt, ust es doch eine hübsche Wildpflanze.

Alkaloide sind für die Wirkung zuständig

Das Schöllkraut enthält vor allem im gelb-orangenen Milchsaft über 20 verschiedene Alkaloide, die für die Heilwirkung und die Giftwirkung verantwortlich sind. Vermutlich sind diese antiviral wirksamen Inhaltsstoffe für die Wirksamkeit gegen Warzen verantwortlich. Wird der frische Saft 1-2-mal täglich über mehrere Tage (am besten zwei bis drei Wochen lang) auf eine Warze getupft, kann diese vollständig verschwinden. Der stark reizende Saft wird nur direkt auf die Warze aufgetragen und nicht auf die gesunde Haut darum. Die Haut verfärbt sich bräunlich, aber die Verfärbung verblasst nach einiger Zeit. Am wirksamsten ist der Morgensaft der Pflanze, denn er enthält die meisten Alkaloide. Auch ist die Wurzel viel alkaloidreicher als das oberirdische Kraut.

Innerlich ist Vorsicht geboten – auf Warzen tupfen ist o.k.

Bei der Bewertung des Schöllkrautes trifft sehr gut der bekannte Spruch des Arztes Paracelcus (1493-1541) zu: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, daß ein Ding kein Gift sei.“ Aufgrund der Anwendungsbeschränkungen sind leider die meisten Schöllkraut-Präparate vom Markt verschwunden. Bei den noch vorhandenen Präparaten sollten Sie die Dosierungsanleitungen und Gegenanzeigen auf dem Beipackzettel beachten und sich vor Einnahme unbedingt mit Arzt oder Apotheker besprechen. Vor allem bei Lebererkrankungen ist Schöllkraut kontraindiziert. Die äußerliche Behandlung von Warzen, die in der Volksmedizin noch immer sehr beliebt ist, hat jedoch (abgesehen von der Verfärbung) keine bekannten Nebenwirkungen.

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